Bei Schamanen: Anrufung vom Ahnengeist

Bei Schamanen: Anrufung vom Ahnengeist

Der junge Schamane, dessen Dschanna begangen wird, wird an diesem Abend seinen Ahnengeist rufen. Bei Sonnenuntergang versammeln sich die Schamanen wieder an den Ovoos, wo das gekochte Opfer-Schaf aufgebahrt liegt. Vor Beginn eines Rituals werden Trommeln am Feuer erwärmt und somit zum Leben erweckt. Als sie da in ihren farbenprächtigen Schamanenmänteln um das Feuer stehen bitte ich um die Erlaubnis ein Foto machen zu dürfen. Sie mögen es nicht fotografiert zu werden, und während der Rituale ist das auch streng untersagt.

Bei Schamanen: Anrufung vom Ahnengeist

Vor einem der Ovoos steht ein kleines Tischchen, beladen mit Ritualgegenständen und Opfergaben. Die fünf Schamanen stellen sich davor, setzen ihre Trance-Federhauben auf und beginnen im schnellen Rhythmus zu trommeln. Nur das Lagerfeuer beleuchtet effektvoll flackernd die Szenerie. Ich knie relativ nahe in der Wiese.

Der junge Schamane beginnt mit seinem Schamanenlied seinen Ahnengeist zu rufen, während die anderen Trommeln verstummen. Ein Schauer rinnt mir dabei den Rücken hinunter. Immer wilder wird sein Trommeln, Zuckungen durchlaufen seinen Körper. Er wirft sich, bäumt sich auf und trommelt derweil ekstatisch. Plötzlich fällt er in sich zusammen, Trommel und Schlegel entgleiten seinen Händen. Ein kurzer Moment der Stille, dann richtet er sich wie von unsichtbarer Hand gezogen kerzengerade auf.

Gespräch mit dem Ahnengeist

Nun beginnt er mit völlig anderer Stimme zu sprechen und sich auch anders zu bewegen. Er bekommt zu Essen und zu Trinken. Bayaraas Frau kommt hinzu und kniet sich neben ihm nieder. Sie ist eine „Tuschee“, eine Mittlerin zwischen Ahnengeist und hilfesuchenden Menschen, und hier die Einzige die mit dem Ahnengeist sprechen darf. Ich höre ihr Gemurmel und die teils lauten und manchmal belustigten Antworten des durch den Schamanen sprechenden Ahnengeistes.

Für die Schamanen der Mongolei kann nur derjenige Schamane sein oder werden, dem es gelingt seinen Ahnengeist zu rufen, und diesen durch sich selbst wirken zu lassen. Krankheiten zu heilen, Ratschläge und Entscheidungshilfen geben zu können oder die Geister um Schutz und Glück zu bitten sind Leistungen, die der Schamane immer gemeinsam mit seinem Ahnengeist vollbringt. Der Ahnengeist ist für ihn der Mittler aus dem Jenseits, der zum allübergreifenden Wissen Zugang hat.

Nach zwei Stunden holt uns Bayaraa in sein Zelt. Nur ein paar Kerzen brennen und beleuchten das Innere der Jurte. Eine märchenhafte Stimmung. Nun haben wir die Gelegenheit es zu versuchen, zu zwei Trommeln in Trance zu fallen. Der archaische Klang dieser Trommeln weckt Urgefühle. Ich fühle mich Jahrhunderte zurückversetzt. Ich bin so dankbar hier sein zu dürfen. Um halb fünf in der Nacht beenden wir die Sitzung. Ich bin noch nicht an der Reihe gewesen.

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